Ein Fest im Fest – das war das Sommerfest der ÖFO im Jahr 2024. Das Berliner Viertel, in dessen Mitte das IBBO platziert ist, hat sein 60-jähriges Bestehen gefeiert und die ÖFO hielt diesen Rahmen für das Feiern der eigenen Flüchtlingsarbeit für das Richtige. Und es hat gestimmt. Die ÖFO hat einen nicht unwichtigen Beitrag zum Gelingen des Festes des Berliner Viertels geleistet, und das Fest im Viertel hat eine Atmosphäre geschaffen, in der sich das IBBO mit seinen vielen Besuchern wohlfühlen konnte.
1964 wurde die Berliner Siedlung in Mainz gegründet. Was hier zu Beginn der 1960er Jahre entstand, sollte vor allem neu und modern sein. Kontinuierlich wurden neue Bauten hochgezogen, Schulen gegründet und manche geschlossen, zwei Hochhäuser wurden wieder abgerissen, ein Altersheim eingerichtet und wieder verlegt, zwei christliche Gemeinden bauten ihre Kirchen.
Das Viertel zählt zu den ärmeren Vierteln in Mainz und hat einen überdurchschnittlichen Anteil von Einwanderern. Da die Wohnungen klein und erschwinglich sind, kamen viele Flüchtlinge hier unter. Dabei bildet sich die Flüchtlingstradition seit dem 2.Weltkrieg gut ab.
Im Dezember 1964 wurde als Geschenk des „Gesamtverbandes der Sowjetzonenflüchtlinge“ gegenüber der späteren Ladenzeile ein Sandstein mit der Darstellung des Berliner Wappens, dem Bären, aufgestellt. Vertriebene nach dem 2. Weltkrieg aus Osteuropa wohnten zunächst in anderen Stadtteilen von Mainz und zogen dann auch ins Berliner Viertel. Spätaussiedler aus Russland und anderen Ländern kamen hierher, zuletzt wurden Geflüchtete aus der Ukraine in einer großen Unterkunft untergebracht. Gegenwärtig ziehen besonders Menschen aus Indien und anderen asiatischen Ländern hier ein.
Erstaunlich ist, dass sich im öffentlichen Bewusstsein diese Geschichte der Zuwanderung von Geflüchteten nicht abbildet. Fluchtgeschichte wird verschwiegen und verdrängt. „Flüchtling“ ist kein attraktiver Status. Vor allem motiviert die eigene Fluchtgeschichte vielleicht nicht zur freundlichen Aufnahme von „neuen“ Geflüchteten. Jede jeweils frühere „Fluchtgeneration“ fühlt sich gegenüber den neu Hinzukommenden als etabliert und zum Hiersein berechtigter als die Neuankömmlinge.
Beim Fest war von solchen Problemen aber nichts zu spüren. Prächtige Musik mit Saxophon (Mika Gutenkunst) und Geige (Olga Kornelius aus Odessa) schuf eine fröhliche Stimmung, intensive Unterhaltungen führten zur lebhaften Kommunikation. Ein Highlight waren die Köstlichkeiten, die unsere Köche und Köchinnen aus Afghanistan, Syrien und aus der Türkei in drei Tagen anhaltender Arbeit gezaubert hatten. Nicht wenige Besucher scheinen allein schon deshalb gekommen zu sein.
Das besondere Highlight war der Ehrengast des Festes. Wir hatten nicht Könige und Grafen, noch nicht einmal eine Weinprinzessin aus Rheinhessen oder von anderswo eingeladen, sondern Jessica Tekle. Die zwölfjährige Schülerin ist uns ans Herz gewachsen.
Ein halbes Jahr lang hat sie ein persönliches Projekt durchgeführt und dabei für die ÖFO eine erhebliche Summe „erwirtschaftet“. Die Schülerin des Theresianums Mainz nutzte die an dieser Schule vorgesehene Projektzeit im „Freiday“ für eine aufwendige Organisation und hat bei Basketball-Spielen und Turnieren frischgepressten Orangensaft verkauft. Sie konzipierte dieses Projekt ganz selbständig und wurde nur von den Eltern unterstützt. Im Blick auf die 17 Entwicklungsziele für die Menschheit hat die Schülerin die Ökumenische Flüchtlingshilfe als Organisation gewählt, der sie das Ergebnis ihres Engagements zukommen ließ.
Ihr Bericht, illustriert mit den zwei Plakaten, die ihr Projekt begleiteten, war so überzeugend, dass die Gäste begeistert waren und ihr großen Beifall spendeten. Wenn man außerdem weiß, dass Jessica Tekle eine hervorragende Basketballspielerin ist und maßgeblich für den Aufstieg ihrer Jugendmannschaft in eine höhere Liga gesorgt – dann wird die Bewunderung noch größer. „I have a dream“ – mit diesem Satz von Martin Luther King hatte Jessica Tekle die Plakate überschrieben – und in der Tat hat sie einen Traum für uns verwirklicht.
Vielfältige Angebote machten das Fest reichhaltig und anregungsreich: Angefangen von einem Stand zur Hennamalerei und einem kreativen Malangebot bis hin zu einem Quiz zu den 17 Zielen für Nachhaltige Entwicklung (Agenda 2030 der UN) waren verschiedene Angebote für die großen und kleinen Besucher des Sommerfestes vorbereitet. Doch nicht nur kreative Anregungen wurden geboten, die Handwerkskammer war mit einem Kausa-Info-Stand zur Berufsorientierung vertreten. Und ein entwicklungspolitischer Verein, Kochukuro e.V., der in Mosambik die Schulbildung von Kindern fördert und verschiedene Bildungsangebote initiiert, konnte seine Informationen und Angebote den Besuchern präsentieren und für ein Ehrenamt werben.
Eine Tombola mit intensiver Nachfrage nach Losen und mit attraktiven Preisen schloss das Angebot und auch den Nachmittag des Festes ab. Viele waren beim Aufbauen und Vorbereiten dabei, viele haben beim anstrengenden Abbauen und Aufräumen geholfen. Nach einem Ruhetag ging es wieder an die Arbeit.
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