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Veranstaltungsbericht „So geht Integration…“ am 16.April 2024 im IBBO

Aktualisiert: 31. Mai 2024


In der Reihe „Abendgespräche“ hat die Ökumenische Flüchtlingshilfe Oberstadt (ÖFO) den Diskurs über Integration in der postmigrantischen Gesellschaft Deutschlands bereichert. Dabei ging es weniger um begriffliche Klärungen und Verästelungen, sondern um die Darstellung und Würdigung dessen, was praktisch gemacht wird.

 

Die Absicht

Die Arbeit mit Migranten und Geflüchteten, insbesondere die Bildungs- und Sozialarbeit, hat sich „naturwüchsig“ entwickelt und wird heute praktisch durch die staatlichen Finanzierungsimperative gesteuert. Gemacht wird, was finanziert wird. Diese Realität wird von unten durch selbstbestimmten und politisch bewussten Aktivismus unterlaufen, durch eine helfende Praxis des bürgerschaftlichen Engagements und auch durch professionelle Konzepte ausgefüllt. In dieser Konstellation der direkten Abhängigkeit ist die Reflexion und konzeptgesteuerte Tätigkeit der „Arbeit in der Szene“ gelinde gesagt unterentwickelt. Die Abendgespräche sollen einen Beitrag leisten zur Reflexion der Arbeit. Der Abend zum Thema „So geht Integration“ soll spezifisch ein Gegengewicht bilden zu den resignativen Strömungen in der Freiwilligenarbeit und den Überanpassungen der Träger der Sozialbetreuung.

 

Das Programm

Kulturbuntes Bodenheim“ ist nicht mehr eine einzelne Initiative. Personen und Einrichtungen des Dorfes haben vielmehr ihre Lebenspraxis auf das Zusammenleben mit den eingewanderten Menschen eingestellt. Kinder und Jugendliche, Frauen und Männer werden einbezogen, alle Bereiche des Lebens sind Felder des interkulturellen Zusammenlebens. Kirchliche und politische, sportliche und berufliche Organisationen beteiligen sich. Die Wirklichkeit, die durch Einwanderung entstanden ist, wird bewusst wahrgenommen und als selbstverständliche Realität angenommen. Elisabeth Henn und Eberhard Wolf berichten.

 

Der Verein „Somalische Europäische Kooperation e.V. (SEKO)“ in Worms unterstützt politisch, rassistisch oder religiös Verfolgte, Flüchtlinge und Vertriebene, besonders die somalische Bevölkerung in Europa und auch in Somalia. Er begleitet, übersetzt, vermittelt, unterstützt, solidarisiert sich und kooperiert. Er setzt sich für das friedliche Zusammenleben von Menschen und Gruppen ein, organisiert Veranstaltungen und Sportaktivitäten und initiiert verschiedene Hilfsprojekte im Ausland. Es berichtet der Vorsitzende Mohamed Abdulahi.

 

Die ÖFO in der Mainzer Oberstadt versteht sich als ein „sozialer Ort“. Unterschiedliche Angebote zum Spracherwerb und zur interkulturellen Verständigung sind verbunden mit Beratung und Bildungsförderung. Welche Anforderungen werden an einen solchen Ort gestellt, der Kristallisationspunkt integrativer Dynamiken sein will? Prof. Dr. Werner Nell, vom Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz e.V. (ism) und Dozent an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, erläutert das „Soziale-Orte-Konzept“. Es kann als „Blaupause“ dienen für die „Infrastruktur“ des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Sercan Öztürk und Dr. Karoline Pietrzik stellen das Projekt U-Mut vor.


Der Ablauf

Nach einer Begrüßung durch den Vorsitzenden der ÖFO e.V., Bruno Hoffmann, wurde das intensive Programm prozessiert. Da die zwei geplanten Stunden sehr dicht verplant waren und die Vorträge so interessant, dass man sie nicht abkürzen konnte, war kaum Raum für Fragen und Diskussion. Das war ein Manko der Veranstaltung, das durch das delikate Buffet nur begrenzt kompensiert werden konnte. Andererseits zeichneten die Beiträge sich durch einen Reichtum an berichteten Aktivitäten, Zusammenhängen, Erläuterungen und konzeptionellen Ideen aus, dass keine Müdigkeit entstehen konnte. Der Saal war voll – die Teilnehmer und Teilnehmerinnen hoch interessiert.

Der Bericht über das Kulturbunte Bodenheim faszinierte die Zuhörer und Zuhörerinnen durch seine Anschaulichkeit, Vielfalt der Aktivitäten und die Authentizität des Berichts. Zugleich aber beeindruckte die Analyse der Bedingungen, die ein solches kulturbuntes Dorf ermöglichen. Sowohl aus dem Rahmen der Gemeinde als auch aus dem Innern der intensiv arbeitenden Gruppen wird die Arbeit strukturiert und reflektiert. Die Kategorien, die Werner Nell später in seinem Beitrag vorstellte, passten recht genau auf die Entwicklung und Dynamik in Bodenheim. Dort fließen bürgerschaftliches Engagement, kommunalpolitisches Verantwortungsbewusstsein und reflektierte Berufserfahrung zusammen. Und die aktive Beteiligung der Geflüchteten wird nicht nur angestrebt, sondern ist selbstverständliche Realität.



Die „Somalische Europäische Kooperation“ wurde in einer bedruckenden, technisch perfekt gemachten Video-Show und einem dazu gesprochenen Kommentar von Mohamed Abdulahi vorgestellt.




Der Aktionsraum dieses Vereins ist sehr groß, mit Beratungsangebot in drei deutschen Städten, mit einem Schwerpunkt in Worms. Die besondere Aktivität des Vorsitzenden wird in den Bildern überzeugend sichtbar, die Beteiligung der weiteren Personen bleibt im Hintergrund. Bemerkenswert ist die medientechnische Kompetenz des Vereins, der wenige Stunden nach der Veranstaltung einen medialen Bericht auf seiner Homepage veröffentlicht hat.  Etwas an den Rand geraten sind leider die Bilder über die umfangreiche medizinische Hilfe für Somalia, die wohl in der Gründungsphase des Vereins eine größere Rolle gespielt hat. Die Dokumente auf der Homepage, die vor vier Jahren dort eingestellt wurden, sind überzeugende Beispiele für die Notwendigkeit dieser humanitären medizinischen Entwicklungshilfe.



Werner Nell schien – auf den ersten Blick – eine undankbare Rolle übernommen zu haben. Konnte er doch nicht von einer anschaulichen und konkreten Praxis berichten, sondern hatte die Vorstellung eines theoretisch-empirischen Modells übernommen. Das „Soziale-Orte-Konzept“ wird in einer lesenswerten Veröffentlichung entwickelt. Es beruht auf umfangreichen empirischen Untersuchungen und entwickelt Lösungswege für die Dörfer abseits der Ballungsräume, die sozial-kommunikativ ausgedünnt sind. Das Konzept schwebt freilich nicht frei, sondern die Realität in Bodenheim beispielsweise lässt sich mit diesem Konzept sehr gut „lesen“. Aber nicht nur deshalb sackte die Aufmerksamkeit im Raum nicht ab, sondern weil Werner Nell dieses Konzept mit zentralen Fragestellungen der Migrationsarbeit verbinden konnte. Dabei haben sich neue, das bisherige Denken kritisierende Perspektiven ergeben. Auch für die Weiterentwicklung des IBBO ergeben sich daraus interessante Anregungen.

Sercan Öztürk und Dr. Karoline Pietrzik hatten es aber dann mit der Vorstellung des Projekts U-Mut schwer, noch einmal konzentrierte Aufmerksamkeit zu wecken. Aber es gelang. Denn dieses Projekt, nach den Vorgaben der finanzierenden Europäischen Union nach den Prinzipien fortgeschrittener Managementregeln aufgebaut, beeindruckt durch die Konsistenz der Praxis. Kombinierte Angebote sollen dafür sorgen, dass der Eingliederungsprozess Zugewanderter effektiv und zügig gestaltet werden kann. Die Homepage ist informativ und begeisternd: https://u-mut.org/


Wir bedanken uns bei der Flüchtlingskoordination der Stadt Mainz für die finanzielle Förderung dieser Veranstaltung.


Die Präsentationen der Vortragenden können Sie gerne hier nachlesen.



 
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